Hexenjagd (2018)

Zu einem ungewöhnlichen, nämlich erstmalig generationenverbindenden Projekt der Schulgemeinschaft des Corvey-Gymnasiums, Hamburg, fanden sich Anfang des Jahres 2018 Eltern aller Jahrgänge und Schülerinnen der 7. Klassen sowie des 11. Jahrgangs zusammen und erspielten in individuellem Zugang ihre eigene Inszenierung der „Hexenjagd“ nach Arthur Miller. Als Spielform wählten wir dabei die Wirklichkeitsnähe und begaben uns damit auch atmosphärisch in das puritanische Salem/Neuengland von 1692:

Dort ist die Furcht vor dem Einfluss des Teufels ganz real. Als in der Gemeinde Mädchen in abstruse Zustände verfallen, sind die Eltern aufs Äußerste alarmiert: Satan hat seine vernichtende Hand im Spiel! Wer aber öffnete ihm die Pforten? Schnell übernehmen Denunzianten, Nutznießer der Schuldzuweisungen und unerbittlich Richtende die Lenkung des weiteren Fortgangs – mit verheerenden Folgen. Die „Hexenjagd“ beginnt …

Arthur Millers „Hexenjagd“ („The crucible“, 1953 in Reaktion auf die McCarthy-Ära als parabolisch zu lesendes Drama veröffentlicht) erlangte schnell Weltruhm, steht regelmäßig auf den Spielplänen der Stadttheater sowie Amateur-Ensembles und wurde mehrere Male verfilmt. Der Stoff ist darüber hinaus produktive Quelle medialer Weiterentwicklungen.

Wir selbst entschieden uns für eine psychologische Erarbeitung der Bühnenfiguren, deren Originalrepertoire wir um stimmige Erfindungen ergänzten. Die Sprechanteile entstanden durch spielpraktische Improvisationen, nachdem die figurentypischen Eigenschaften in persönlicher Rolleneinnahme angelegt worden waren. Erst in der letzten Projektphase widmeten wir uns dem übersetzten Originaltext, um unsere eigenen Dialoge zu verdichten. Die Ensemble-Figuren brachten wir weitgehend in ein Rollengleichgewicht, d.h. jede Figur trug in vergleichbaren Spielanteilen zum Verlauf der Handlung bei.

Hierbei beschäftigte uns maßgeblich die Frage, welche Mechanismen diese menschliche Tragödie auslösen, deren Eskalationsdynamik unaufhaltsam in die Ausrottung und Auslöschung führen. Wir fanden Antworten in der Auseinandersetzung mit der „dämonisierenden Sicht“ auf erfahrenes Leid, die die Welt und ihre Menschen in ein radikales Gut und Böse aufspaltet, im Gegensatz zur „tragischen Sicht“, die eine ganzheitliche Auffassung voraussetzt, in der Leid integrativer Bestandteil des Lebens ist. In ihrem Buch „Feindbilder. Psychologie der Dämonisierung“ stellen Haim Omer, Nahi Alon und Arist von Schlippe die Konsequenzen vor, die die jeweilige Sicht auf die eigene Lebensführung und das Wahrnehmen menschlichen Miteinanders hat. Es war für uns ein wertvoller Impulsgeber für die intensive Bearbeitung des Dramenstoffs.

Anders als wir hatten die Gemeindemitglieder in der Salemer Enklave von 1692 keine Wahl in ihrer Weltsicht und keine Hilfen im Aufspüren von Entwicklungsmöglichkeiten ihrer Lebensumstände. Das Spiel im historischen Kontext ermöglichte uns eine Radikalisierung unserer Figurenauslegung – und damit eine äußerst differenzierte Projektarbeit in Auseinandersetzung eigener erlebbarer Situationen und aktuell wirksamer Konfrontationen.

Eine Einsicht in die Entstehung unserer Kostüme finden Sie hier.

Es spielten
Jens Harms (Pastor Abraham Parris), Nadja Hilfenhaus (Betty Parris), Luisa Helmer (Abigail Williams), Frank Tiedemann (Pastor Lucas Hale), Gabi Schneider (Marian Hale), Frank Mehnert (John Proctor), Henriette Witt (Mary Warren), Doris Mehnert (Elizabeth Proctor), Igor Baumgarten (Thomas Putnam), Katrin Lange (Rachel Putnam), Anna Kummerfeld (Ruth Putnam), Susanne Harms (Mary Jacobs), Sasha Lobisch (Hanna Jacobs), Tanja Landschoof (Martha Nurse), Antje von Stemm (Sarah Nurse), Bettina Stolzenburg (Rebecca Nurse), Helena Rademacher (Susanna Walcott), Barbara Ehlers (Alice Barrow), Amelie Hinrichsen (Ann Barrow), Sonja Kienzle (Ester Barrow), Franziska Biermann (Ivy Putnam), Dimitri Korowin (Richter Danforth)

Photographie: Peter Bruns (www.peterbrunsfoto.de)

Plakatgestaltung: Franziska Biermann

Projektleitung, Textbearbeitung, Kostümerstellung: Christine Steinberg